Allgemeine Informationen zur Gestalt der Heiligen

Name: verschiedene Etymologien sind im Gebrauch. Ableitungen vom lateinischen verenus schliessen auf wahrhaftige. Koptische Hinweise sehen in Virina die Bedeutung von "aus der Stadt", gemeint ist Theben. Falsch ist sicher die Ableitung von Veronika, die aus mittelalterlichen Verlesungen resultiert. Bemerkenswert bleibt, dass alle thebäischen Heiligen der Schweiz lateinische Namen tragen (Ursus, Victor, Felix, Regula). Bei Verena könnte es sich noch um einen Ägyptischen Namen handeln.

Geboren: vermutlich vor 250 n.Chr. Gestorben im 4. Jahrhundert. Beigesetzt in Zurzach.

Gedenktag: 1. September

Attribute: koptischer Doppelkamm, Krug; seltener: Fisch, Krug und Brot, Schlüsselbund

Patronin: Arme und Notleidende, Müller, Fischer, Schiffer, Pfarrhaushälterinnen; Co-Patronin des Bistums Basel zusammen mit Urs und Victor; angerufen bei Augenleiden und für männliche Nachkommen.

Quellen

Für die Tradition der Heiligen Verena sind zwei Quellen massgeblich.

1) Bau- und Ortsgeschichte des Fleckens Zurzach und hier vor allem des Stiftsbezirks.

2) mittelalterlichen Legenden der "Vita prior sanctae Verenae" und der "Vita posterior" sowie das Buch der Wunder der heiligen Verena "Miracula sanctae Verenae"

Spätere Hymnen bauen auf den Themen dieser Quellen auf. Alle erwähnten schriftlichen Quellen sind herausgegeben, übersetzt und kommentiert bei Adolf Reinle, Die Heilige Verena von Zurzach. Legende, Kult & Denkmäler, Basel 1948 (Ars Docta VI). Neu übersetzt und im Zusammenhang mit der neueren archäologischen Forschung finden sich die Quellen wieder bei Albert und Hans Rudolf Sennhauser, Alfred Hidber (Hrsg.), Geschichte des Fleckens Zurzach, Zurzach 2004.

Ortsgeschichte

Bereits im 5. Jahrhundert existiert im Bereich des römischen Kastells am Rheinübergang eine christliche Gemeindekirche mit Taufanlage und Nebengebäuden. Ebenfalls im 5. Jahrhundert entsteht auf dem südwestlich davon gelegenen Gräberfeld entlang der Römerstrasse nach Windisch eine Saalkirche mit Nebenbauten. Diese wird in mehreren Abschnitten bis zu einer frühromanischen Basilika erweitert, deren Überreste heute in den Mauern des Verenamünsters verbaut sind. Als die Kirche auf dem Gräberfeld errichtet wird, muss dazu der Verlauf der Römerstrasse verändert werden. Der Bogen der Römerstrasse ist noch heute im Strassenbild Bad Zurzachs erkennbar. Auf dem Gräberfeld wurden bei archäologischen Grabungen im Verenamünster Gräber aus der Zeit vom ersten bis 4. Jahrhundert entdeckt. Anfangs ist die Kirche auf dem Gräberfeld der Gottesmutter geweiht, bald schon wird sie der Heiligen Verena gewidmet. Für die Verlegung der Siedlung vom Römerkastell in den Bezirk der Verenakirche auf dem Gräberfeld in der Zeit vom sechsten bis elften Jahrhundert gibt es bislang keine Erklärung, ausser: die Verehrung der Heiligen Verena. Sie bildet den Kern der Ortsentwicklung des heutigen Bad Zurzach.

Die schriftlichen Quellen

Als Abt Hatto von Reichenau der Adligen Richardis um das Jahr 880 n. Chr. die "Vita beatissimae Verenae virginis" (vita prior) widmet, um Richardis für die Leitung der Klostergemeinschaft in Zurzach zu gewinnen, ist Verena schon ein halbes Jahrtausend tot. Frühere schriftliche Quellen zur Heiligen sind bis heute nicht bekannt. Umso mehr hat das mündliche Wissen aus dem Gebiet Zurzachs, dem die Baugeschichte zur Seite steht, Bedeutung für die Überlieferung. Für die Auslegung der Quellen ist wichtig:

- Absicht: Die frühere und spätere Lebensgeschichte der Heiligen Verena (Vita prior und Vita posterior) sind keine historischen Werke im heutigen Sinn. Sie verfolgen eine klare Absicht. Einmal soll die Heilige Verena in der nachfolge der Wüstenväter und Kirchenväter als Missionarin und Klostergründerin herausgestellt werden, damit Richardis ihr nachfolgt. Das andere Mal wird Verena in die mittelalterliche Gesellschaft und Frauenrolle übersetzt. Sie schätzt und fördert das bereits florierende Stift. Im Wunderbuch schliesslich wird die Ebenbürtigkeit der Heiligen mit anderen populären Heiligen des damaligen Bistums Konstanz betont. Die Wunder dokumentieren und befördern das Wallfahrtswesen.

- Wahrheit: Die Legenden verwenden Zitate und Typologien, um die Figur der heiligen für ihre zeit zu verdeutlichen. Für uns heute ist damit der "historische Kern" der Heiligen nicht mehr in allen Details zu bestimmen.

- Aneignung: Angesichts der Eigenarten mittelalterlicher Legenden können diese einfach für wahr (verehren wir unsere Heilige), für blosse Literatur (die heilige Verena ist nur erfunden) oder für Fälschungen genommen werden (Verena ist die christliche Gestalt einer Quellgöttin). Für alle Möglichkeiten finden sich Beispiele in der gegenwärtigen Literatur.

Die Gestalt der heiligen Verena

Jede Zeit hat sich ihr Verena-Bild entworfen. Für das Spätmittelalter mag das Wunderbuch wichtiger gewesen sein, als die Lebensbeschreibungen. Wir beziehen uns heute wieder mehr auf die früheste Vita. In ihr begegnet uns eine Heilige, die bei aller Überlagerung auch faszinierende Eigenarten aufweist.